Vienna City Marathon 2023

Salinen-Klaus im Frühlingserwachen

Mein vierter Marathon. Diesmal müssen die 42,195 km erstmals ohne höllische Krämpfe und natürlich in neuer persönlicher Bestzeit (PB) gelingen. Aber wie soll das gehen, wenn es offensichtlich die letzten 126,585 km nicht möglich war. Nach meinem letzten Oberschenkel-Exorzismus in Linz war ich zwischenzeitlich der Überzeugung erlegen, dass mein alternder, hopfenbelasteter Laib dazu einfach nicht in der Lage ist und ich mir ein neues Hobby suchen muss. Stricken soll recht schön sein, hab ich gehört.
Da meine gleichermaßen geliebte wie sture Ehegattin 😉 sich aber inzwischen auch das Ziel Marathon vorgenommen hatte, musste ich Wohl oder Übel noch einmal ausrücken, um den Kenianern das Fürchten zu lehren. Natürlich All-In mit vollem Ehrgeiz und dem Wissen, dass ich an einigen Schräublein drehen muss, wenn ich diesmal laufend statt humpelnd ins Ziel will. Die wichtigste Schraube war natürlich das Training, welches ich diesmal richtig gut und fast ohne kinderbedingte Seuchenzustände durchbrachte. Es machte mir sogar richtig Spaß, mich bei 10x800er Intervallen oder 4-stündigen Regenläufen auf der Ennswiese abzuhärten und merkte vor allem im letzten Drittel der Vorbereitung, wie ich immer stärker wurde. Gleichzeitig war ich nicht mehr so verbissen und achtete auch mehr auf meine Regeneration. Heute, nach viel Lektüre und Tüftelei, glaube ich, ich war die letzten Male teilweise im Übertraining gefangen. Nach den richtig starken letzten Trainingseinheiten musste ich auch meine Zielvorgabe entsprechend anpassen. Ich nahm mir vor, die für meine Leistungsklasse magische 3 ½ Stunden-Marke anzulaufen und das Tempo so lange zu halten, wie es eben geht. Es gab durchaus begründete Verdachtsmomente, dass es möglich ist. Ein anderes Schräublein war die Verpflegung. Ich schwitze. Viel. Ziemlich viel. Und da kommt ordentlich Salz mit raus. Mein Laufdress sieht nach längeren Läufen aus, als wollte ich Kühe anlocken und ich fühle mich wie Forelle im Salzmantel. Dazu trinke ich sehr viel. Nicht nur auf Geburtstagsfeiern, sondern auch beim Laufen in Form von Wasser und teilweise auch Gels. Für den Marathon habe ich jetzt ordentlich Salz in alles reingepackt, was ich so konsumiere. In Summe habe ich während des Laufs locker einen Esslöffel Salz zu mir genommen. Vielleicht nur Kopfsache, aber wirkungsvoll.

Am Start fragte ich mich dann noch, ob es mittlerweile wirklich nicht mehr möglich ist, das Wetter in Österreich für 12 Stunden halbwegs genau vorauszusagen. Wadsak sagte irgendwas von Wolken und 9-13 Grad am Start mit Höchstwerten um die 18 Grad. Ich bin kein Meteorologe, aber meinem Gefühl nach war das nicht ganz korrekt. Das letzte Schräublein war übrigens die Startaufstellung. Diesmal war ich (etwas frech) in Block 1 aufgestellt, um mir das elendige Überholen hunderter bierbäuchiger Enthusiasten zu ersparen. Interessanterweise waren da (Zeitangabe <3:20) immer noch viele, die eher >4:00 unterwegs waren. Trotzdem war es deutlich angenehmer als bei meinen früheren Antritten. Einfach freier laufen. So ging’s also los. Ich fühlte mich weder besonders stark, noch irgendwie schwach. Einfach normal. Die Temperatur machte mir von Anfang an zu schaffen. Ich schwitzte schon beim Stehen. Der erste Einlauf in die Praterallee war angenehm schattig. Danach war die pralle Sonne (nix Wolken, Wadsak) ziemlich erbarmungslos. Nach 800 Trainingskilometern bei 5 Grad und diesem April war Wien ein echter Hitzeschlag. Es viel mir nicht leicht, meine pace unter 5:00 min/km zu halten und bei km 10 dachte ich schon, dass die Geschichte ein baldiges Ablaufdatum haben wird. Ziemlich genau bei km 12 hatte mein Freund Jesus aber Erbarmen und begann, ein paar zarte Wölkchen vor’s Gestirn zu schieben. Danke dafür. Das hielt mir den Hitzetod vom Leibe. So konnte ich mein Tempo recht gut halten. In meinem Kopf formte sich indes der wirre Gedanke, dass ich ab km 30 ja noch etwas auf’s Gas drücken könnte, um die 3:30 vielleicht irgendwie zu knacken. Schön, wie man sich selbst belügen kann. Bis km 30 ging’s tatsächlich ganz gut, dann kämpfte ich aber immer mehr mit der Hitze und merkte, wie meine Oberschenkelmuskulatur immer härter und härter wurde. Da musste dann eine Entscheidung her. Weiter auf Zupf bleiben und die vielleicht erneut in der Horizontalen enden oder endlich das Hirn zu Hilfe nehmen und intelligentes Krampfmanagement betreiben. Ich entschied mich also, lieber 15-20 sek/km zu verlieren, als zwischenzeitlich 5 Minuten dehnend und schreiend an der Klagemauer zu verbringen. Ging ganz gut. Zwischendurch waren auch wieder ein paar starke km dabei und irgendwie kam die berühmte zweite Luft dazu. Ich war gefühlt ständig am Überholen und musste mich echt zurückhalten, um nicht wieder schneller zu werden. Mein rechter Oberschenkel mahnte aber deutlich, dies zu unterlassen. Dann kam der für mich härteste km Nr. 40 – leicht bergauf bei einigem Gegenwind am Ring und zack, genau bei km 41 machte der rechte Oberschenkel zu. Schnell ein bisschen humpeln, ordentlich fluchen und Wechsel in den mir perfekt antrainierten Besenschritt. So ein Krampf stoppt mich sicher nicht 1,2 km vor dem Ziel. Beißen. Beißen. Beißen.

Diesmal war der Zieleinlauf genial und ich konnte mit einem ambitionierten Zielsprint noch einige Läufer*innen überholen. Kaputt und glücklich im Ziel. 3:36:21. Neue PB. 13 Minuten schneller als in Linz. Warten auf die Gattin. Die hat’s beim ersten Versuch auch geschafft. Bin sehr stolz auf uns beide.
Bei etwas kälteren Temperaturen und damit weniger Umwegen für Verpflegung und Kühlung wären vielleicht noch 2-3 Minuten drin gewesen. Die 3:30 aber wohl eher nicht. Da fehlt mir hinten raus noch etwas Saft und der Glaube an meine Muskulatur. Diesmal hielt aber die Wade und auch der Restkörper ganz gut. Der Mann mit dem Hammer blieb mir fern. Training wirkt. Jetzt erstmal regenerieren und dann beim Wings4Life Run eine neue PB aufstellen 😉